Wojciech Paweł Piwowarczyk/Ringebu
Jetzt war unsere Reise von der Westküste bis hierher nach „Innlandet" so glatt verlaufen - trotz Eis und Schnee
… und nun kamen wir 28 km vor unserem Ziel nicht mehr weiter.
Da war Bambam, Sense, Finito, Ende Gelände - die Passstraße gesperrt!
Es war bereits später Nachmittag, schon stockfinster. Was nun?
Eine romantische Übernachtung in der Walachei kam nicht in Frage.
Einfach zu viel Schnee! Überall! Berge von!
Unserer schwere, nur vorderradangetriebenen Minna wäre gnadenlos darin steckengeblieben.
Schneeketten hatten wir zu dem Zeitpunkt noch keine, zumindest keine, die passten.
Ein Campingplatz musste also her! Einer, der im Winter offen hat.
Es gab nur den einen! Links der Hauptstraße, in der Nähe der Bahnlinie. Ein ehemaliges Militärareal. Egal!
Den rief ich an.
Wie schön - kein Anrufbeantworter. Jemand nahm ab!
Wie schön, die Stimme am anderen Ende klang sehr freundlich.
Wie schön, wir dürften kommen, auch wenn der Platz eigentlich geschlossen sei.
WOW!
Irgendwie war mir schon vor unserer Begegnung klar, dass wir gleich einen sehr besonderen Menschen treffen würden.
Wojciech Paweł Piwowarczyk trat sogleich aus der Tür, als wir vor seinem Haus parkten. So, als hatte er unser Kommen erwartet.
Eine Hüne! Norwegerpullover, Jeans, Winterstiefel! Dunkle, glatte ins Gesicht fallende Haare. Vielleicht Mitte, Ende vierzig?
„Nice to meet you!“ Ich glaube, er meinte das ernst.
Wir freuten uns auch. Er war uns sofort sympatisch.
Obwohl ich gesagt hatte, wir bräuchten eigentlich nur eine Toilette, geleitete er uns in eines der riesigen Kasernengebäude,
drehte das warme Wasser an, die Heizung auf und schlug uns sogar eines der vielen Schlafzimmer zur Übernachtung vor.
Brauchten wir nicht. Wollten wir auch nicht!
Vor allem, nachdem wir gehört hatten, dass er im letzten Monat 6500 € für Strom hatte hinlegen müssen.
Deshalb hatte er den Campingplatz auch diesen Winter dichtgemacht - eigentlich!
So hatte sich seit Herbst die Kälte der vereinsamten Gebäude bemächtigen können.
Ist so penetrant durch alle Ritzen gekrochen, dass der hereingetragene Schnee auf dem Boden der Korridore liegen geblieben war.
Wojciech Paweł Piwowarczyk ist Pole, 52 Jahre alt, kommt aus Krakau.
Dort hat er Philosophie studiert. Das passte zu seiner ruhigen und bedachten Art.
Lange Zeit hat er in Frankreich gelebt, hat da Wein verkauft und ist herumgereist,
bevor es ihn dann irgendwann und irgendwie in den Norden verschlug.
Den Campingplatz hat er von seinem Vorgänger übernommen.
Er hatte vorher schon zwei Jahre führ ihn gearbeitet und wusste also, worauf er sich einließ.
Die Anlage hätten im Übrigen die Deutschen gebaut … damals.
Aber das solle jetzt keine Rolle spielen. Das wäre Geschichte, eine blöde Geschichte.
Nun wohnt er jedenfalls mit seiner Frau und seiner sechsjährigen Tochter im Haupthaus und tut, was er kann.
Reich würde er damit nicht, aber es reiche!
So viel Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit kann zuweilen sehr berühren.
Wir verbrachten eine ruhige Nacht auf unserem lauschigen Stellplatz im Schutz der großen Kiefer, die vor der Kaserne stand.
Ab und zu fiel etwas Schnee von den Zweigen, ein dumpfes „Blobb“.
Den Zug um Mitternacht, über den sich Gäste im Internet beschwert hatten, hörten wir nicht.
Am nächsten Morgen war der Pass noch immer gesperrt - auf unbestimmte Zeit.
Wojciech machte uns wenig Hoffnung: „It’s weekend and it’s still snowing.“
Da blieb also nur der Umweg über das Dovrefjell - 200 km! Mehr als 2 Stunden Fahrt.
Wir standen noch eine Weile zusammen, sprachen über die „Probleme dieser Welt“, darüber,
wie alles miteinander zusammenhing und was der Mensch für eine Rolle darin hatte.
Ein bisschen philosophisch ... ein bisschen!
Dann mussten wir los.
Geld wollte Wojciech keines haben.
Auf keinen Fall! Under no circumstances! En aucun cas!
Da war nichts zu machen!
So ein feiner Mensch!