Per-André, Venabygd/Rondane

Schlagartig hatte sich dichter Nebel in die Dämmerung gemischt. 

Einzelne Sturmböen fegten über die schmale Passstraße, die sich kilometerlang durch die karge Landschaft schlängelte. 

In der Minna ertönte ein Warnsignal, auf der Temperaturanzeige erschien das Symbol einer Schneeflocke - Glättegefahr. 

Der Abend war ziemlich unwirtlich. Draußen jedenfalls.

Auf der Suche nach einem Ort für die Nacht, waren wir lange hin und her gefahren

Und hatten uns dann für einen großen Schotterparkplatz etwas unterhalb des Passes entschieden.

Kein Klo, dafür Handyempfang. Man setzt Prioritäten. 

Ein einziges Auto stand da. Norwegisches Kennzeichen. Die Scheiben waren beschlagen, Vorder- und Rücklichter leuchteten, offenbar lief der Motor.  

Der hat keine Standheizung und muß sich aufwärmen

Nach 2 Stunden leuchten die Lichter immer noch. Es war inzwischen stockfinster.  

Vielleicht wartet er (oder sie) auf jemanden, Wanderer, die sich im Nebel verlaufen haben. Kann ja sein.

Erst gegen 10 waren die Lichter aus. 

 

Als wir am nächsten Morgen wach werden, fährt der Wagen gerade weg. 

Und irgendwie ist mir in diesem Augenblick klar, wo wir ihn wieder treffen werden: 

Auf einem anderen Parkplatz, ein paar Kilometer die Passtrasse wieder hinauf. 

Kein Handyempfang, dafür mit Toilette. 

Es haben alle dieselben Bedürfnisse. Wir auch.

Ein großer kräftiger Norweger schnürt sich gerade die schweren Stiefel. 

Der hat also die Nacht im Auto neben uns verbracht.

Wir bieten ihm einen Kaffee an und lernen Per-André kennen, Lehrer aus Kongsberg.

Er sei gestern 10 Stunden auf der Jagd gewesen, erzählt er.

Gegen 6 dann zum Auto zurückgekommen, hat den Motor angemacht, um sich aufzuwärmen.

Und dann ist er sofort eingeschlafen, wollte nur mal kurz die Augen zumachen.

 

„What do you hunt?“

„Grouse“

„…?“ 

Wir können nicht googeln, kein Empfang. Dafür ein Klo.

„Birds. They change their colour. From grey/brown to white in the winter“ 

„Aah, Schneehühner, Snowchickens…

"Yes. Snowchickens." Er muß grinsen.

Per-André jagt seit seinem 14 Lebensjahr. Jetzt ist er 37 (oder 34?) hat Familie und lebt in Kongsberg.

Für diesen Jagdausflug in Rondane ist er über 300 Kilometer gefahren und hat die Nacht im Schlafsack auf dem Fahrersitz im Auto verbracht.

Und heute Abend wird er die ganze Strecke wieder zurückfahren. 

„I am a teacher, tomorrow I have to be at school“

Aber erst morgen.

 

Jetzt wartet er darauf, daß endlich der verflixte Nebel verschwindet. Weil man bei der Jagd auf Schneehühner im Nebel keine Chance hat. 

Man darf ein Huhn am Tag erlegen.

Per-André hat noch gar keines.

Die Vögel gelten im Übrigen als Delikatesse, angeblich besser als jedes andere Huhn. 

Extrem zart aber nicht viel dran.

Wir reden noch ein Weile auch über das Schulsystem in Norwegen  und so. 

Dann schultert Per-André sein Schrotgewehr, rückt seine orangefarbene Signalwollmütze zurecht (damit er nicht Opfer eines Jagdunfalls wird)

und verschwindet in der kargen Landschaft.

Der Nebel hat sich inzwischen etwas gelichtet. 

Wenig später ertönt in der Ferne irgendwo ein Schuss.