Matias, Hennisvaer/Lofoten
Lys av kråkeboller.
Bitte mal raten. Was könnte das wohl sein ?
Wir wußten es auch nicht, bis wir Matias kennenlernten.
Er saß vor seiner Garage im Fischerort Henningsvaer auf einem Schemel, hatte eine neongelbe Jacke an und trug sehr dicke, auffällige Gummihandschuhe. Hin und wieder schaute er über den Rand seiner Sonnenbrille den Touristen hinterher, dann beugte er sich wieder über einen großen Plastikbottich mit dreckigem Wasser, der vor seinen Füßen im Schnee stand.
Er machte irgendetwas sauber, pulte mit seinen Fingern in einer braunen Kugel, die auf der Unterseite ein großes Loch hatte.
Kråkeboller. Sea Urchins.
Matias und seine Freundin hatten die Idee, aus großen Seeigeln Tischlichter zu machen.
Sie tauchen danach im eiskalten arktischen Wasser und sammeln so viele Seeigel wie sie tragen können (…and you can believe me, they are really heavy…).
Wir wurden Zeuge von dem, was danach kommt und ziemlich unappetitlich aussieht.
Die Seeigel werden ausgehöhlt, gereinigt, entstachelt und anschließend in der improvisierten Garagengalerie mit LED-Lichtern verkauft.
Locally made Souvenirs.
Eine Gruppe Asiaten blieb vor der Garage stehen. Sie machten Fotos, schienen ziemlich begeistert.
Ob Matias die Seeigel verkaufen würde, wollten sie wissen.
Klar verkaufe ich die… nein, nicht das Fleisch, die sind nicht zum Essen
Nur die Gehäuse mit Licht, you know? Lofotlys!
Die Asiaten schienen irritiert
Nicht zum Essen, nicht das Fleisch? Oh…!
Matias blickte der Gruppe über den Rand seiner Sonnenbrille hinterher. Schmunzelte.
Wir unterhielten uns eine Weile und irgendwie hatte er wohl das Gefühl, uns erklären zu müssen, daß ökologisch alles mit rechten Dingen zugeht.
Und daß er und seine Freundin nicht verantwortlich dafür sind, daß die Seeigel auf den Lofoten aussterben.
Ganz im Gegenteil.
Einer der wenigen Fressfeind der Seeigel sei der Seewolf, erklärte Matias.
Der sei so häßlich, daß ihn früher niemand essen wollte.
„Doch inzwischen sind die Leute auf den Geschmack gekommen.
Deswegen gibt es immer weniger Seewölfe und immer mehr Seeigel.
Die haben schon 50 Prozent der Tangwälder unter Wasser aufgefressen.
Also wenn Ihr etwas Gutes für die Umwelt und das Ökosystem tun wollt, kauft ein paar unserer Seeigel.“
Wir waren ein bisschen baff.
Irgendwie klang das dann doch ein bisschen zu sehr nach zurechtgelegten Argumenten.
Aber hey. Es stimmt alles. Ist ziemlich spooky die ganze Sache.
Wir haben es nachrecherchiert.
Tatsächlich haben Seeigel in den verg. 50 Jahren offenbar 2000 Quadratkilometer Tangwälder an der norwegischen Küste vernichtet.
Der Meeresboden wurde regelrecht kahlgefressen, zurück blieb eine Unterwasserwüste.
Außerdem haben Forscher herausgefunden, daß es tatsächlich mit der Überfischung des Seewolfs zu tun hat, der bei uns in Deutschland übrigens unter dem Namen Steinbeißer zu kaufen ist.