Jan, Borg/Lofoten

Er saß einfach da und paßte nahezu perfekt in die Umgebung.

Sehr langer braunen Bart, die Haare zu einem Zopf gebunden.

Er trug ein grünes Gewand, das aussah wie eine Tunika, darüber einen hellbraunen Überwurf mit Kapuze. 

Nur sein Gesicht entsprach nicht dem eines Wikingers. Es war zu weich. Die Augen zu sanft.

Ich hatte ihn anfangs und aus der Ferne für eine Puppe gehalten, bis er uns auf Englisch ansprach.

Wenn wir irgendwelche Fragen hätten, sagte er, we could asked him. Es sei nicht viel los heute. 

Und so lernten wir Jan kennen, aus Polen, genauer gesagt aus Krakau. 

 

Jan arbeitet als Darsteller im Wikingermuseum in Borg auf den Lofoten. 

Er ist quasi Teil der Ausstellung.

Attraktion dieses Museums ist ein riesiges rekonstruiertes Langhaus aus dem 5. und 6. Jahrhundert. Und dort in einem der Räume saß Jan an einer langen Tafel, nähte Schuhe und gab geduldig Auskunft. Er erzählte über den Wikingerhäuptling Olaf Tvennumbrunni (Doppelbraue), der hier sehr wahrscheinlich mit seiner Familie gelebt hat und davon, daß das Langhaus im Laufe der Jahrhunderte unter dem Humus von Viehweiden und Äckern verschwand. Bis seine Überreste 1981 zufällig von einem Bauern entdeckt wurden. Weil der mit seinem neuen Pflug 5 Zentimeter tiefer in die Erde kam.

 

Seine große Leidenschaft sei Reenactment, schwärmte Jan, also die „Inszenierung konkreter geschichtlicher Ereignisse in möglichst authentischer Art und Weise“. 

Und die Wikinger haben’s ihm angetan. Das spürte man deutlich. 

Er ließ uns teilhaben an seiner Welt.

Warum nicht Ritter?

Nee, nee, sagte Jan. Die Leute in der Wikingerszene sind irgendwie cooler und netter. 

Und die Kleidung?

Näht er sich selbst. 

Er trage sie immer, auch außerhalb des Museums, privat, im Supermarkt beim Einkaufen oder beim Spaziergang mit seiner Freundin, auch wenn er z.B. seine Familie in Polen besucht. 

Daß die Leute manchmal etwas irritiert schauen, sei er gewohnt. Er schmunzelte. 

Kein Wunder, daß sie ihn sofort eingestellt haben, als er sich im Museum beworben hat. 

Im Sommer „befehligt“ er übrigens eines der alten Wikingerschiffe auf dem nahegelegenen See.

Die Touristen rudern, er steuert. Das sei wunderbar, sagt er und lacht. 

„Die bezahlen mich sogar dafür. Kann Dir doch nichts Besseres passieren.“

 

Uns fröstelte. Es war kalt im Langhaus. Im Wohnraum eine Tür weiter sei es wärmer, meinte Jan. 

Ich muß unbedingt noch erzählen, daß wir dort 2 Kolleginnen von Jan trafen. 

Auch in Wikingerkostümen. 

Wir schauten uns ein bißchen um und Thea fragte mich auf französisch, ob wir gehen wollen.

„On y va?“

„Ah, vous êtes Français?“

Eine der beiden Darstellerin schaute uns fragend an.

Sie hieß Anne, stammt aus Paris und kam vor 25 Jahren auf die Lofoten. 

Weil es Ihr hier so gut gefällt. Vor allem der Winter. Ganz besonders das schlechte Wetter.

Zuhause sei es dann immer so gemütlich, sagte sie. Mit Kerze, Buch und Decke.