Geir, Sollia

„Hellloooo…“

Der Mann mit der blauen Mütze stand neben seinem Auto und fuchtelte wild mit seinen Armen.

Es schien, als wollte er irgendetwas von mir wissen. 

Ich war damit beschäftigt, Bilder von unserem Stellplatz am See zu machen und manövrierte gerade meine Drohne durch die Bäume.

„Wait a moment,“ sagte ich, „I will land my drone.“

„You have a drone?“ Rief er. „Where do you come from?“

„Germany“, schrie ich zurück.

Ich landete und ging zu ihm. 

 

Es hieß Geir und war offenbar zum Angeln gekommen. Ein Mann Mitte 50, mit einem blauen Pulli und einer blauen Mütze.

Nicht besonders groß und auch nicht gerade schlank. Und ganz sicher nicht schüchtern.

„I knew immediately that you are from Germany“. Geir streckte mir seine Hand entgegen.

„Why that?“

„Your accent“, sagte er und lachte laut. „I can hear that.“

Er versuchte die Schnur durch die Ringe seiner Angelrute zu fädeln. Er kostete ihn sichtbar Mühe.

„You know, I can’t see so much with my right eye. It came very suddenly.“

Ich mußte an mein eigenes Auge denken. Auch das rechte, auch bei mir kam es plötzlich.

„I have a bit of the same problem“, sagte ich. 

Geir schaute überrascht auf. Dann zündete er sich eine Zigarette an. 

„But this“, er deutete mit der Schnur auf die Spitze seiner Angel, „I could do, even if I would be blind.“

Er sei jeden Abend unterwegs, erzählte Geir, oft bis spät in die Nacht. 

Arbeiten ginge nicht mehr, deswegen würde er nur noch angeln.

Ich: „Nicht mehr arbeiten?“

Er: „Ja, wegen der Augen …und meinem Rücken.“

Ich: „Rücken?“ 

Er: „Ja, die Bandscheibe.“

Ich: „Ich hatte auch einen Bandscheibenvorfall“

Er: „Bei mir war es L4,L5“

Ich: „Bei mir auch.“

Geir lachte wieder laut. 

„I was in Kongsvinger-Hospital. Two times.“

„Wie Kongsvinger? Da war ich auch.“

Ach Du meine Güte. Was passierte hier gerade?

Da standen wir an einem See mitten im norwegischen Nirgendwo und sprachen laut und vergnügt über unsere beinahe identischen Krankengeschichten.

Und ich bin mir sicher, unser Gelächter schallte bis weit hinaus auf den See.

Mir gefiel, daß er trotz allem so viel Spaß am Angeln hatte.

„Without fishing“, sagte er,“ I would die.“

 

Geir hatte inzwischen 2 Pullover an und trug 2 Mützen auf den Kopf.

Er schlug die Tür seines Autos zu, steckte sich ein riesiges trockenes Brötchen in den Mund und ging hinunter zum Ufer. 

Ob wir gerne Fisch essen, wollte er wissen.

„Oh yes, we love it.“

„If I catch some“, meinte Geir, „you can have it.“

Seine Kühltruhe sei randvoll. 

Dann verschluckte ihn die Dämmerung.

 

Stunden später, etwa gegen 1 Uhr nachts, hörte ich, wie er wegfuhr.

Irgendwie hatte ich die Hoffnung, daß eine Tüte mit frischem Fisch am Außenspiegel baumeln würde.

Aber da war nichts. Geir hatte vermutlich nichts gefangen.