Albano und Fausto, Huser Gard

Die Armen! Da hat es sie schon in eine Gegend verschlagen, in der nichts los ist:

nur einzelne Höfe, Ackerland und ein riesiger Fluss, der sich träge durch die Landschaft schiebt. 

Dann besteht die Aussicht auf eines neues Workawayerpaar - in der Regel junge Leute zwischen 20 und 30 - und wer kommt? 

Zwei Ü-50iger, Oldies … VETERANOS! 

 

Sie nennen uns  t ì o und t ì a  (Onkel und Tante). 

Das habe ich aber erst ganz am Schluss gecheckt. 

T ì a  und Thea, das hört sich ja auch fast gleich an. 

Immerhin sind wir nicht  n o n o  und  n o n a  für sie (Oma und Opa). 

Gracie Ihr beiden! 

 

Albano und Fausto. Beide Argentinier. Ende 20. Auch Workawayer. Freunde! 

Sie sind schon länger hier. 

Kamen vor mehr als einem Monat nach Norwegen. 

Überbrücken in Huser Gård die Zeit, bis sie im Dezember dann weiter gen Norden ziehen, um dort im Radisson Blue von  Trysil „richtig“ zu arbeiten. 

D.h. um Geld zu verdienen!

Hier jedenfalls sind sie „Mädchen für alles“. 

Gleich morgens kümmern sie sich um die Tiere, füttern sie. 

„Ich mache das gerne,“ sagt Fausto. „Das erinnert mich an meine Kindheit.“

Tagsüber sieht man sie gemeinsam über den Hof stiefeln und auf dem Gelände arbeiten. 

Gerne preschen sie dabei mit dem ATV über die Felder. 

Nach Feierabend sitzen sie im „Livingroom“, spielen Karten und unterhalten sich.

Offensichtlich haben sie sich nach all der Zeit immer noch viel zu erzählen. Das ist rührend. 

Oder aber sie schweigen, trinken ihr Bier, hören Musik. Astor Piazzola, u.a. Auf diesen Argentinier sind sie stolz!

Sie zehren dabei von den Köstlichkeiten aus „ihrem Paket“. 

Haben sich „dulces“ aus Argentinien schicken lassen, von einem Internetshop irgendwo auf der Welt. 

Ein Stück Heimat, das auf der Zunge vergeht! 

Sie haben sich arrangiert, akzeptiert, dass es hier nicht viel anderes zu tun gibt, die Tage kurz, die Abende lang sind. 

Der Countdown läuft. In Trysil wird alles anders. 

 

Wir teilen ziemlich viel mit ihnen - mittlerweile: 

Am Anfang waren es v.a. die Küche und das Bad. 

Dann haben wir angefangen, füreinander zu kochen: 

Sie erfreuten uns mit Burritos und Empanadas. Sehr lecker! 

Wir sie mit traditional German food: Bratkartoffeln, Kartoffelsalat, Kartoffelauflauf… 

Ronalda hatte säckeweise Kartoffeln gekauft!

Schließlich blieben wir immer länger gemeinsam am Tisch sitzen. 

Teilten unser Bier miteinander - „real beer“! 

Oder sonntags den Fernet Branca, den sie gerne mit Cola mischen.  

Unser Prinzip, nur Alkoholfreies zu trinken, hatte ihr Bedauern geweckt. 

 

 Und so kam es, dass sie zwischen Jokes, Gags und Anekdoten, schließlich auch ihre Geschichte mit uns teilten:

Vor drei Jahren verließen Fausto und Albano ihre Heimat. 

Folgten einem Freund nach Japan. 

Arbeiteten dort in verschiedenen Anstellungen, v.a. in der Gastronomie. 

Der Start in ein neues, eigenständiges Leben. Sie fanden es großartig! 

Einmal sind sie seitdem nach Argentinien zurückgekehrt. 

Nach zweieinhalb Jahren Japan zog es sie nochmal nach Hause. 

Aber nur für eine kurze Zeit.  

„Unsere Zukunft liegt nicht in diesem Land. Politische Instabilität, Korruption und Inflation machen alles kaputt“. 

Sie seien nicht die einzigen. In Scharen verließen junge Menschen Argentinien, suchten ihr Glück im Ausland, viele in Spanien oder Italien. 

Auch die beiden zieht es nach Europa. 

Um dauerhaft dort bleiben zu können, braucht es aber die EU-Staatsbürgerschaft. 

Seit Monaten bemühen sie sich um den Nachweis ihrer europäischen Wurzeln. Ein kompliziertes und schwieriges Unterfangen. 

Fausto hat Vorfahren in Spanien, Albano in Italien. 

Leider hatten sie bisher keinen Erfolg. 

Jetzt dränge die Zeit. Denn ab 30 bestehe keine Aussicht mehr auf ein längeres Visum. „The doors are closing!“

 

Was sie erzählen, klingt fast, als seien sie von zuhause geflohen.

„Nein! Wir wollten auch einen anderen Blick, eine andere Perspektive.

Andere Leute kennenlernen, andere Länder, andere Kulturen.

Mal snowboarden. In Argentinien machen das nur die Reichen.

Mal ordentlich bezahlt werden, für das, was wir tun.“

Und die Daheimgebliebenen? 

"Die kennen nur die Welt, in der sie leben, arrangieren sich damit.“ 

Aber die Eltern unterstützten sie. 

Die Mutter sei traurig, sagt Fausto, der Vater stolz. 

Denn er selbst habe nie den Mut zu diesem Schritt gehabt.

Auf die Frage, ob sie nicht doch irgendwann einmal zurück wollten, schütteln beide fast gleichzeitig den Kopf. 

„Nein! Wir hätten gerne eine Heimat. Aber unser Land bietet uns keine Perspektive. Wir können und wollen wir nicht zurück.“

Ja, das fühle sich komisch an. 

"And we don’t know, what the future will bring.“ 

 

Zwei junge Männer auf der Suche nach einer Zukunft und einer Heimat.

Die Geschichte von Fausto und Albano macht uns sehr betroffen. 

Wir sind betreten. Was sollen wir sagen? Vielleicht am besten nichts.

Am nächsten Abend wollen sie etwas über Deutschland erfahren, von unseren Problemen dort hören. 

Wir fangen an zu erzählen, kommen aber nicht weit. 

Was sollen wir sagen. 

Vielleicht am besten nichts.