Barbara, Sollia/Rondane

Was sind wir unterwegs doch für außergewöhnlichen Frauen begegnet! 

Frauen, die tagelang einsam übers Fjell wandern.

Frauen, die ihr Wochenende jagend in den Bergen verbringen.

Frauen, die völlig abgeschieden, nur mit ein paar Pferden leben.

 … 

Frauen, die mir Respekt einflößen, die mich verblüffen, bei denen ich denke: Wow! 

 

Barbara ist auch so eine Frau. 

Keine Norwegerin wohlgemerkt. Eine Zugewanderte, auch eine Belgierin. 

 

Wir trafen sie erstmals in der Küche der River Lodge

Sie war mit Miro da, ihrem Freund.

Auf dem Hof, auf dem sie wohnt, hatte man geschlachtet.

Sie brauchten einen Bottich zum Einlegen einer Lammkeule … in Salz. 

Ich fand sie gleich sehr sympathisch. 

 

Ein paar Tage später begegneten wir ihr in der Sollia Ysteriet.

Sie stand in der Käseküche; ganz in weiß, die Haare mit einem breiten wollenen Band zurückgebunden.

Den strengen Hygieneregeln gehorchend.

Sie war gerade dabei, Molke einzukochen, hantierte mit einem Eimer und einem Sieb, schöpfte den Ricotta ab.

Die Herstellung des Brunost  hat man nämlich in ihre Hände gelegt. 

Sie ist sehr froh über diesen Job, hat sich extra schulen lassen

und besitzt nun - als Belgierin - das nötige Know-How, dieses Kulturgut zu erzeugen. 

 

 

Vor fünf Jahren kam Barbara nach Norwegen, arbeitete als Wooferin in Tynset (Mittelnorwegen),

also als freiwillige Helferin auf einem ökologischen Bauernhof.

Sie war damals schon über dreißig und in Belgien als Lehrerin tätig gewesen.  

Danach kehrte sie nicht mehr in ihre Heimat zurück - zumindest nicht dauerhaft. 

Sie zog stattdessen nach Südnorwegen, arbeitete in verschiedenen Schulen,

fand aber dort im städtischen Umfeld nicht das, wonach sie gesucht hatte: ein Leben mit der Natur. 

„Eigentlich habe ich die Tretmühle aus Belgien nur gen Norden verlegt“, sagt sie, „ohne mein Leben wirklich grundlegend zu ändern.“ 

Sie brach deshalb ihre Zelte schon sehr wieder bald ab und ging zurück Richtung Norden,

begann als Schäferin zu arbeiten und fand dieses Leben erfüllend - den Umgang mit den Tieren, die Nähe zur Natur. 

Irgendwann begegnete ihr dann Miro, ihr jetziger Freund.

Mit ihm zog sie in die Abgeschiedenheit des Rondanegebietes, wo die beiden seitdem zur Miete auf einem Hof leben.

 

„Um hier Fuß zu fassen, musst du die Sprache beherrschen, du brauchst Arbeit und du solltest offen sein!“ 

Die Sprache hatte sie schon gelernt. 

Arbeit suchte sie sich, fand sie in der Käserei und als Aushilfslehrerin in der Sollia Grundschule. Die Kinder lieben sie. 

Im Sommer ist sie immer noch als Schäferin tätig. 

Und obwohl sie, wie sie zugibt, auch gerne für sich bleibt, gab sie sich einen Ruck und trat in den Chor ein.

Wollte auf diese Weise die Leute vor Ort besser kennenlernen. 

Aus Bekanntschaften wurden schließlich Freundschaften ... und die pflegt sie.

Für einen gemeinsamen Spieleabend bei Tanja scheut sie es nicht,zum zweiten Mal am Tag nach Sollia zu fahren -  20 km  e i n e  Strecke!

Viel mit dem Auto unterwegs zu sein, das sei ganz normal bei diesen Distanzen.

Ohne ginge es hier in Norwegen nicht.

 

So wuchs Barbara innerhalb weniger Monate in die Gemeinschaft hinein.

Mittlerweile nimmt sie sehr Anteil am Geschick des Dorfes. 

Während wir ihr beim Molke Einkochen über die Schulter schauen,

erzählt sie uns, wie sehr sie die drohende Schließung der Grundschule beschäftige. 

Ohne Schule hätte die Gemeinde keine Perspektive

und dies würde auch früher oder später die Existenz der Käserei bedrohen.

Wenn das Dorf noch weiter ausblute, wäre das richtig schlimm.  

„Ich habe keine Ahnung von Politik. Aber ich möchte verstehen, wie das hier alles zusammenhängt.“ 

In der darauffolgenden Woche fährt sie deshalb abends ins 60 km entfernte Koppang,

wohnt - ungeladen (!) - einer Kommunalversammlung bei

und hört sich an, was die Lokalpolitiker zur Zukunft Sollias zu sagen haben.

Ihr wird bewusst, dass die Entscheidungsträger überhaupt keine Ahnung vom Leben

in diesem strukturschwachen kleinen Dorf oben in den Bergen haben.

Umso überraschter und erleichterter ist sie, als sie eine Woche später erfährt,

dass man sich gegen die Schließung der Schule entschieden hat: 11 zu 6 Stimmen!

 

Nach 5 Jahren, sagt Barbara, fühle sie sich jetzt hier in Sollia endlich zuhause,

und sie könne sich vorstellen, auch dauerhaft hier zubleiben,

irgendwann ein Haus zu kaufen ... wenn sie und Miro dann genug Geld hätten. 

 

Liebe Barbara! 

Es war schön, Dich zu treffen.

Wir hoffen, dass Rondane Dir und Miro eine Perspektive bieten wird und Ihr beide Eure Pläne werdet umsetzen können.

Wir haben gesehen, wie wichtig es ist, dass junge Leute in diese einsame Region kommen und sie mit Leben erfüllen,

sich auf die Natur einlassen, ohne sie zu zerstören. 

Viel Glück!