Und plötzlich sind wir über die Grenze gefahren.
Waren zurück in Deutschland.
Nach fast einem Jahr.
Ich hatte immer Angst vor diesem Augenblick.
Vor dem „Kulturschock“. Er trifft uns auf der A7. Höhe Flensburg.
Fast schon automatisch, wie ferngesteuert, habe ich den Fuß auf dem Gaspedal weiter runtergedrückt.
Plötzlich hatte ich das Gefühl, schneller fahren zu müssen. Oder zu wollen?
Weil man sonst zwischen den Lastern hängt. Nicht mehr rauskommt. Ständig bremsen muss.
Da ist kein Fließen, kein Genuss, kein Reisen. Plötzlich gilt unsere ganze Aufmerksamkeit dem Verkehr. Dem Blick in die Außenspiegel.
Nicht mehr der Landschaft.
Wie ein Schalter, den man umlegt.
Wir wollen jetzt möglichst schnell ankommen. Davor haben wir uns treiben lassen.
Thea nannte das „Herumvagabundieren“. Zeit war nicht wichtig. Das ist jetzt vorbei.
Unsere Reise ist zu Ende. Wir sind auf dem Heimweg.
Wie sich das anfühlt? Irgendwie nicht real.
In Lärm und Hektik auf der A7 fällt es schwer, einen Gedanken zu fassen:
Freust Du Dich jetzt auf Zuhause?
"Aber ja doch. Hätte ich am Anfang nicht gedacht. Aber mittlerweile unbedingt.
Ich hatte ja zwischendurch schon auch mal echtes Heimweh und dann die Sehnsucht nach den Kindern. Die wurde halt immer stärker, je weiter wir weg und im Norden waren. Diese Entfernung zwischen uns und ihnen, das war mir manchmal richtig unheimlich.
Ja, auf Evi und Piet, auf die freu ich mich wahnsinnig. Auf unsere Freunde auch … und auf unser Zuhause und die Nachbarn natürlich."
Und ansonsten, was den Rest angeht?
"Hm - irgendwie habe ich mich im Laufe der letzten Wochen auf den Moment der Rückkehr eingestellt, mich irgendwie mental darauf vorbereitet.
Und jetzt ist es ok. Ja, es ist ok.
Ich kann mir auch gut vorstellen, wieder in die Schule zu gehen.
Vielleicht bin ich ja ein bisschen gelassener. Das wäre schön. Das würde ich mir jedenfalls sehr wünschen. "
…und du?
"Gelassenheit wäre toll… Weiß aber nicht, ob man die so einfach in den Alltag zuhause übertragen kann.
Ist halt alles viel komplexer. Viel mehr. Viel enger. Aber ich werde mir Mühe geben.
Und natürlich freue ich mich. Sehr. Nach Hause kommen ist etwas Schönes und fühlt sich gut an.
Erst recht nach einer so langen Zeit.
Aber irgendwie habe ich mich noch nicht so ganz damit abgefunden, daß diese Reise jetzt vorbei ist."
"Ja, wir haben uns so lange darauf vorbereitet, hatten das als gemeinsames Projekt und als Perspektive und jetzt … mal schauen."
Draußen auf der A7 fliegt die Landschaft vorbei. Hinten in der Minna vibrieren bei Tempo 120 ein paar Teller.
Auf der Gegenfahrbahn staut sich der Verkehr.
Urlauber auf dem Weg zu den Stränden in Dänemark. Vermutlich auch nach Schweden. Vielleicht Norwegen…
(Man könnte fast neidisch werden.)
Weiß du noch, wie wir da drüben nach Norden gefahren sind?
Das war vor elfeinhalb Monaten, im August. "Jetzt wird’s ernst", hast du damals gesagt.
"Ja, da lag noch alles vor uns, unglaublich, oder? Ich erinnere mich an dieses Gefühl des Unwirklichen.
Konnte es in dem Moment gar nicht so richtig fassen, ich meine, dass wir das wirklich durchziehen, dass es nun wirklich so weit war.
Und ich war ziemlich aufgeregt."
"Das war ich auch. Wir wußten ja auch nicht, was uns erwartet. Wie wir so zurechtkommen würden.
Da war viel Unbekanntes…das sich dann ziemlich schnell sehr vertraut angefühlt hat.
Aber unglaublich, wie schnell die Zeit vergangen ist.
Gestern haben wir noch Schnee in Tromsø geschippt und jetzt ist unsere Reise plötzlich vorbei.
Insgesamt kommt mir das gar nicht vor wie ein Jahr. Vielleicht eher wie ein halbes.
Aber ist das nicht so, daß die Zeit gefühlt besonders schnell rumgeht, wenn man Neues erlebt und Dinge sieht, die man noch nicht kennt?"
"Ja vielleicht. Aber ich hatte auch oft das Gefühl, mitten im Moment zu sein und dann den Augenblick voll zu genießen.
Ohne diesen Blick nach vorne, den man hat, wenn etwas ansteht. Da war selten der Wunsch, etwas beschleunigen zu wollen wie sonst oft im Alltag,
wenn man z.B. das Wochenende ungeduldig herbeisehnt. So eine Unrast habe ich selten verspürt."
"Was aber auch an den Menschen lag, denen wir begegnet sind.
Niemand hat uns gedrängt, alle waren total flexibel, immer hieß es: It doesn’t have to be perfect.
Da war überhaupt kein Druck. Kein Stress. Keine Hektik. Man konnte in Ruhe in der jeweiligen Aufgabe versinken.
Das hatte auch viel mit Vertrauen zu tun."
Das habe ich so noch nie erlebt!
"Ja, unglaublich, dieses Vertrauen! Nicht nur, was die Arbeit und die Aufgaben anging, das natürlich auch, aber auch sonst:
Wir durften die Autos ausleihen, uns im jeweiligen Haus bewegen, als sei es unseres, alles durften wir mitbenutzen …"
"Vergiß den Kühlschrank nicht - Take what ever you want.
Weiß nicht, ob das so in Deutschland möglich wäre."
"Nee. Irgendjemand hat doch neulich gesagt: "Here in the North, we mainly trust each other". War das Sophie?
Weiß nicht, hat mich jedenfalls irgendwie sehr berührt, weil das in unserer Gesellschaft leider total verloren gegangen ist. Vertrauen."
"This is your house, hat Sture zu uns gesagt, als wir in s e i n e r Küche standen.
Der alte Backpacker, so ein toller Typ!"
"Alle waren toll. Und so offen und neugierig.
Selbst die Leute, die wir ganz spontan in den Bergen oder mitten im Wald getroffen haben.
Wir kamen immer ins Gespräch. Und wenn wir gefragt haben, ob wir ein Foto machen dürfen, haben alle zugestimmt.
Keiner hat Nein gesagt"
"Man muss natürlich sagen, dass wir über Workaway auch mit ganz besonderen Menschen in Kontakt gekommen sind.
Ich meine Menschen, die Fremde bei sich aufnehmen, sind vielleicht per se offener und vertrauensvoller.
Ja, ganz sicher. Das war schon ein bestimmter Typ Mensch.
Auch alles Leute, die immer Projekte im Kopf und irgendetwas am Laufen hatten."
"Ich glaube, dass ich nochmal mehr kapiert habe, dass Freundlichkeit und Interesse Türen öffnen.
Ich war ja bisher auch nicht menschenscheu, aber jetzt wird es mir noch leichter fallen, andere anzusprechen oder mit ihnen in Kontakt zu treten.
Und wie gesagt, ich hoffe, dass ich etwas Gelassenheit gelernt habe.
Und das ist sicher nicht die einzige Erkenntnis...
Nee. Mir ist auch nochmal bewußt geworden, daß man nicht so viel Gepäck braucht.
Ich habe absolut nichts vermißt. Das, was wir dabei hatten, war völlig ausreichend.
Das ist ein schönes Gefühl."
"Absolut. Dieser Minimalismus war so wohltuend. Alles war so überschaubar.
Davon würde ich mir gerne etwas erhalten, wenn wir wieder in Freiburg sind.
Zuhause hat man von allem zu viel. Zu viel Kram, den man nicht braucht und der dich letztendlich nur belastet. "
Was war für dich eigentlich das schönstes Erlebnis auf dieser Reise?
"Mmmh, das ist jetzt echt schwer. Da waren so viele schöne Erlebnisse.
Aber ich glaube, am allerschönsten waren für mich die Begegnungen.
Die Menschen, die wir unterwegs getroffen haben. Die Gastfreundschaft, das Gefühl, willkommen zu sein. "
"Oh ja. Und auch das Gefühl, helfen zu können, findest du nicht?
Ich hatte schon den Eindruck, dass wir für viele eine echte Hilfe waren, Dinge vorwärts gebracht haben. Das hatte etwas sehr Befriedigendes.
Für mich waren aber auch unsere Skitouren und Wanderungen echte Highlights. Sich körperlich in dieser grandiosen Natur zu bewegen,
sich diese Landschaft zu erwandern auf Skiern oder per pedes, das war schon eine unglaublich tolle Erfahrung."
Die Wehmut über das Ende dieser Reise kommt in Schüben. Im ständigen Wechsel mit der Freude auf Zuhause.
Es geht Hin und Her. Wie eine alte Waage, die sich einpendelt.
Wann sie zum Stillstand kommt?
Keine Ahnung. Es wird sicher noch eine Weile dauern.
Zäh fließender Verkehr vor dem Elbtunnel. Dann Stau. Nichts geht mehr.
Wir lächeln gelassen. Vorerst noch.
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Sture (Donnerstag, 27 Juli 2023 21:42)
Tack för fina minnen! Och välkommen tillbaka!