Wir kamen von der Westküste Ölands, waren unterwegs zur Kalmarbrücke, die uns hinüber zum Festland bringen sollte.
Hier war die Straße schnurgerade, die Landschaft langweilig, die Gedanken leer, die Blicke halt- und die Kommunikation wortlos.
"Häää? Was war das? Hast Du‘s auch gesehen? "
"Ja."
"Echt mal? Kamele? Hier?"
"Shit vorbeigefahren!"
"Da! Noch eins!"
"Oh Mann, wo kann man denn hier mal anhalten? Verdammt! Wieso kann man hier nicht ranfahren?"
Beim dritten Viech in Sicht, gab‘s dann endlich auch eine Haltebucht, ein paar hundert Meter weiter. Da stellten wir die Minna ab und stiegen aus.
Das mussten wir uns anschauen, aus der Nähe, meine ich, nicht nur im Vorbeifahren.
So ein Wüstenschiff mitten in der Wallachei, das kriegt man ja hier oben im Norden nicht alle Tage zu sehen.
Und bei uns eigentlich auch nicht, oder?
Die kleinere Version vielleicht, Alpakas, aber Kamele im Schwarzwald? Nööö, nicht das ich wüsste.
Jedenfalls mussten wir ein Stück zurücklaufen.
Da! Hinter der Steinmauer, zwei Höcker und ein Rascheln im Gebüsch.
In der Tat: ein Kamel auf der Kuhweide, ein echtes, ein riesiges, eines mit zwei Höckern wie gesagt - ein Trampeltier also - ein weißes sogar.
Machte sich an einem Weißdorn- oder Schlehenstrauch zu schaffen, rupfte an den Ästen herum und zermalmte dann die Blätter,
die nach und nach in seinem Maul verschwanden. Sah schon seeehhhr ungewohnt aus.
Von uns nahm es Null Notiz, spürte nix von unserem „Völlig-aus-dem-Häuschen-Sein“. Und selbst auf Zuruf keine Reaktion. Paah!
Aber da, weiter vorne! Da lugte doch tatsächlich der Haarschopf eines weiteren Exemplars hinter der Mauer hervor.
Dieses hier schien zu liegen, zu dösen, sich jedenfalls auch in keinster Weise um uns zu scheren. Noch so ein Ignorant. Paah!
Einem Impuls folgend, wollte ich sofort über den Zaun klettern, um näher ranzugehen, doch Christof hielt mich zurück.
Immerhin kannten wir uns mit dieser Spezies ja überhaupt nicht aus.
Als die aber keinerlei Reaktion zeigten, war ich schneller über‘s Gatter und auf der Weide, als Christof protestieren konnte.
Und da, hinter der Mauer lungerten doch tatsächlich noch mal zwei von den Exoten herum.
Zu dritt "chillten" die da also, glotzten tranfunzelig vor sich hin, mit Blick „auf halb acht“, hängender Unterlippe und wehender Mähne,
während der eine Kollege unterm Strauch genüsslich Blätter mampfte und ein anderer im Hintergrund gelangweilt am Zaun hin und herlatschte.
Das war ein Anblick, sage ich Euch. Ostentative Tiefenentspannung! Unfassbar!
Christof hatte sich in Anbetracht dieser offensichtlichen Friedfertigkeit zwischenzeitlich nun auch auf die Weide getraut
und näherte sich vorsichtig, seine Kamera im Anschlag.
Das da jetzt zuerst mal ein umfangreiches Fotoshooting angesagt war, könnt Ihr Euch vorstellen.
Irgendwie musste man das ja dokumentieren. Wer würde uns sonst Glauben schenken? Sind wir hier vielleicht in Afrika?
Natürlich nicht, eher in Asien. Denn, ob Ihr es glaubt oder nicht, Kamele und zwar asiatische gibt es schon seit langem auf Öland und einen dazugehörigen ÖlandsOasen-Sommerpark im Übrigen auch..
Bengt Erlingsson, vielen Schweden eher bekannt aus „Farmer seeking a wife“, forderte vor vielen Jahren das Glück heraus und versuchte, diese Art in Schweden anzusiedeln. Die asiatische Rasse hat ihren Lebensraum in kalten Wüsten, in denen es nie heiß wird, wie beispielsweise in der Wüste Gobi in der Mongolei. 1991 eröffnete er also seine Kamelranch und siehe da! Er hatte Erfolg!
Seither züchtet und verkauft er die Tiere und bietet interessierten Touristen ein Reiterlebnis, der besonders typisch schwedischen Art.
Na dann!
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