Farewell

Als wir Anfang Juni die Lofoten verließen, war klar, dass damit auch unsere Heimfahrt beginnen würde. Der Weg nach Süden würde uns jeden Tag ein bisschen näher an das Ende dieser langen und besonderen Reise führen. Hin und wieder spürten wir ein bißchen die Schwere dieses Gedankens,  aber noch lagen sechs Wochen vor uns. Noch wollten wir diesem Gefühl nicht zu viel Raum geben. Stattdessen wollten wir uns ein bisschen treiben lassen. 

Unterwegs würden wir noch einmal alle unsere früheren Gastgeber besuchen. 

Uns war klar, dass diese Farewell-Tour vermutlich nicht das beste Rezept gegen die aufkeimende Wehmut sein würde. Aber gleichzeitig schien dieser Plan alternativlos. Wir hatten das große Bedürfnis, sie einfach alle noch einmal sehen. Die lieben Menschen, denen wir auf unserer Reise begegnet waren. 

 

In Rondane hatten wir mit dem Abschied begonnen, jetzt brachte uns die Minna über staubige Schotterstraßen Richtung Osten.

Wir waren unterwegs zu Bart, seiner Frau Ellen und den beiden Kindern Ilena und Vidar

Diejenigen unter Euch, die uns auf diesem Blog von Anfang an gefolgt sind, erinnern sich an den großzügigen und immer euphorischen Belgier aus der Riverlodge. An den Besuch von Hugo Boss und das Wochenende in seiner wunderschönen Mountaincabin mit dem riesigen Fernseher. 

Vier Wochen im Oktober hatten wir mit ihm gearbeitet, unmittelbar danach verließ er Rondane.

Es hatte nicht mehr gepasst zwischen den beiden Familien, die die Lodge betrieben haben. 

Manchmal entwickeln sich Dinge eben anders als man geglaubt hat.

Ich erinnere mich gut, als Bart eines Tages im Oktober einen riesigen Elchkopf aus dem Auto hievte.

An Zuversicht und Entschlossenheit, die in seinem Blick lagen. 

Er und Ellen hatten gerade ein kleines Hotel in Skåret an der norwegischen Seite des Nationalpark Fulufjellet gekauft, dort sollte der Elch künftig an der Wand hängen. Eine Art Symbol für den Neuanfang, genauso wie der Hirsch, den er auch noch im Kofferraum hatte. 

Wir blieben drei Nächte bei Bart und Ellen und es war schön zu sehen, wie wohl sich die Familie in der Villa Fregn fühlte. 

Kein böser Blick zurück, kein einziges schlechtes Wort, keine Vorwürfe - einfach ein neuer euphorischer Lebensabschnitt.

 

Auch mit der Community von Huser Gård waren wir über die Monate im Kontakt geblieben. 

Wir wussten inzwischen, daß Lises Krebserkrankung zurückgekehrt war. 

"I am writing the last chapter of my life", hatte sie geschrieben und sich gewünscht, dass wir auf unserer Rückreise noch einmal vorbeikommen. Als wir den langen Feldweg runter zur Farm gingen, kehrten all unsere Erinnerungen zurück. Der Weihnachtsmarkt, den wir vorbereitet hatten, die Begegnung mit Jeremy und Erle, Fausto und Albano, Ponys und Alpacas, mein Bandscheibenvorfall, Theas geduldige Pflege und das große Glück, dass ich danach auf der Farm in aller Ruhe genesen durfte. Es fühlte sich ein bißchen so an, als kämen wir nach Hause. 

Das schönste aber war, daß wir Lise lachend und heiter erlebten. Und ganz in ihrem Element. Sie organisierte, plante und verschwand nach einem gemeinsamen Kaffee am nächsten Morgen in Richtung Lillehammer, um dort eine Freundin zu besuchen. 

Als wir uns vor ihrem Haus verabschiedeten, trug sie ein blaues Sommerkleid, Schal und Strohhut.

Sie sah blendend aus. 

 

Von Huser Gård ins schwedische Östansjö ist es unwesentlich mehr als ein Katzensprung.

Östansjö ist das Zuhause von Sture. Nur eine Woche hatten wir im Dezember mit ihm verbracht und waren uns trotzdem sehr nahe gekommen. Wir durften in dieser Zeit sein kleines rotes Bullerbü-Häusschen mit ihm teilen, feierten Santa Lucia, schauten gemeinsam Fußball, aßen und sangen mit seinen Freunden. 

Jetzt saßen wir auf der Holzveranda, die wir im Dezember repariert hatten und feierten Midsommar. Sture hatte besorgt, was bei diesem schwedischen Klassiker auf keinen Fall fehlen darf. Eingelegter Hering, Pellkartoffeln und Rømme, Erdbeeren und eine Flasche Schnaps. 

Die Abendsonne schien lang auf die Veranda. 

Wir erzählten, lachten und genossen die angenehme Vertrautheit im Umgang miteinander.

Auch Sture ist krank. 

Er sehe jetzt das Ende der Straße, hat er gesagt. Und daß er die Zeit, die ihm noch bleibt, genießen werde.

Pläne und Projekte hat er viele. Er möchte reisen und war gerade von einem Roadtrip auf der Route 66 zurückgekehrt. 

Wie es jetzt mit unserer Farewell-Tour weitergeht? 

Wir sind unterwegs nach Ängagården in Südschweden. Zu Sofie und Rikard

Ihr erinnert Euch? 

Dort, wo unsere Reise begonnen hat, soll sie jetzt auch enden. 

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Kommentare: 2
  • #1

    Claude Boulanger (Freitag, 30 Juni 2023 23:41)

    Euer Wehmut schwappt mit den schönen Bildern und Texten auch hier über...Toll, traurig und schön zugleich!

  • #2

    Terri (Samstag, 01 Juli 2023 19:18)

    Merci, Claude, so trefflich hast du es ausgedrückt, die Wehmut in Verbindung mit den schönen Bildern.
    Ist das nicht auch, warum es im Leben geht , die Schönheit und Traurigkeit und das loslassen von beiden?
    Ich bin sehr froh, dass ihr uns mit diesem Blog so auf eure Reise mitgenommen habt und viele Erfahrungen in all ihren Tiefen gefühlt mitgenommen habt. Danke Thea & Christoph

    Beziehung heißt auch gemeinsam gestalten und es ist schön zu sehen, wie ihr das gemeinsam mit Inhalt fühlt.
    Keine Bange, die Erinnerung bleibt und ich freu mich jetzt schon auf eure Geschichten aus eurem Mund beim leckeren Essen