Regen

Die junge Frau wehrte sich. 

Sie änderte ihre Richtung, drehte sich um die eigene Achse, sprang zur Seite, wand sich, stolperte, fing sich wieder.

Sie kannte ihren Gegner, wußte, wie hartnäckig er war. Und wie so oft hatte er einen mächtigen Verbündeten.   

Für die beiden schien das wie ein Spiel, das sie schon unzählige Male gewonnen hatten. 

Die Frau war nur ein weiteres Opfer an diesem Tag.

Sie fluchte laut, als der Wind in einer gewaltigen Böe unter ihren Regenschirm fuhr und ihn mühelos nach außen stülpte.

Für einen Moment hatte sie nicht aufgepaßt. Das Metallspeichen knickten ein, manche brachen, das weisse Tuch riß auf.

Jetzt hatte der Regen leichtes Spiel. Er kam von allen Seiten. 

Die junge Frau hatte das Spiel verloren. Sie würde sich einen neuen Schirm kaufen müssen. Schon wieder…

 

Ich bin in Bergen unterwegs. Und muß feststellen, daß offenbar stimmt, was alle sagen. 

Die zweitgrößte Stadt in Norwegen ist die regenreichste Großstadt in Europa. 

Irgendwie hatte ich gehofft, daß das übertrieben ist. Ist es aber nicht.

Tatsächlich kommt der Regen auch nicht von oben. Er kommt mehr von der Seite. Oder von vorn. Manchmal auch von hinten.

Die Windböen treiben ihn vor sich her.  

Nach 5 Minuten rinnt mir das Wasser hinten von der Jacke den Oberschenkel hinunter, nach 10 Minuten ist die ganze Hose durch,

einschließlich der langen Unterhose, und nach einer halben Stunde steht das Wasser in meinen Wanderstiefeln mit Goretex-Membran  

Ich spüre, wie es bei jedem Schritt meine Zehen umspült. 

Und soll ich was sagen, ab einem gewissen Moment fühlt sich das gar nicht mehr so schlimm an.

Ich füge mich, akzeptiere, daß ich naß bin und bleibe danach noch eine ganze Weile draußen.

 

Und tatsächlich bin ich nicht der einzige. 

Es scheint, als hätten die Menschen in Bergen ihren Frieden mit dem Regen gemacht. 

Sie wirken sehr gelassen mit ihren Schirmen, unaufgeregt und ruhig. Sie rennen auch nicht. Sie gehen. 

Für sie ist es ein Tag wie 248 (!) andere im Jahr. 

Neue Regenschirme gibt es übrigens überall.

Selbst beim Dönerladen um die Ecke. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0