Zwangspause

Zwangspause. 

Es ist besser, wir bleiben noch eine Weile hier - sicherer. 

 

Nach 3 Tagen im Krankenhaus haben sie mir den Rollator weggenommen und Krücken in die Hand gedrückt. 

„Gehen Sie nach Hause.“

Das waren die Worte des Arztes, der aus Litauen stammt und ein nahezu perfektes Deutsch spricht.

„Wir wollen Sie hier nicht mehr wiedersehen.“

Mit leichtem bayrischen Akzent. 

Er grinste. 

„Aber wenn es wieder schlimmer werden sollte, dann dürfen sie natürlich nochmal kommen.“ 

Wir sind den Flur entlang, mit dem Fahrstuhl runter, rein in die Minna und weg. 50 Kilometer zurück nach Huser.

Ich habe hinten in der gemütlichen Koje gelegen und noch während der Fahrt hat mir eine fiese Stimme im Kopf aufgezählt, was wir uns in den nächsten Wochen alles vorgenommen hatten und jetzt verpassen werden: 

Den Weihnachtsmarkt in Røros (der schönste in Skandinavien), unseren 2. Besuch im Nationalpark Fulufjället (diesmal von der norwegischen Seite), die erste Skitour durch tief verschneite Wälder, wir hätten in einem kleinen Hotel aushelfen können, frühmorgens um 6 die Loipen spuren….

Inzwischen ist die Stimme deutlich leiser geworden aber es fällt mir immer noch schwer zu akzeptieren.

Wieso passiert das alles, wieso mir, warum ausgerechnet jetzt? 

Ich glaube nicht an Schicksal, eher an Zufall. Wäre aber auch bereit darüber nachzudenken, ob Körper und Geist nach 57 Jahren rebellieren plus eine Prise Pech vielleicht.  

Tatsache ist, ich kann es nicht ändern. Hilft alles nix. Wir müssen das Beste daraus machen. 

Sagt sich so leicht. 

 

Ich muß an die Polarnacht im Norden denken. Die ich unbedingt erleben möchte. Also, wenn die Sonne gar nicht mehr aufgeht.

Die Polarnacht ist aber schon am 22. Januar wieder vorbei…

Bin ich rechtzeitig wieder auf den Beinen, damit wir da noch irgendwie hochkommen? 

Komisch, da ist man ein ganzes Jahr unterwegs und hat dann doch irgendwie das Gefühl, daß einem die Zeit davonrennt. 

 

Thea meint, wir könnten auch dankbar sein.

Dankbar dafür, daß es mich nicht irgendwo weit draußen erwischt hat. Im Nirgendwo. 

Daß ein Krankenhaus in der „Nähe“ war, wir jetzt ein Dach über dem Kopf haben und mit Erle und Jeremy liebe Menschen um ums herum. Dankbar, daß sie arbeiten kann und ihr nicht die Decke auf den Kopf fällt, daß ich jetzt auf Lises Sofa rumlümmeln darf und auf dem Teppich davor meine Übungen machen kann. 

Natürlich hat sie recht und trotzdem … ist nicht leicht. 

Thea hat in den vergangenen Tagen für 2 geschuftet. Die Tiere morgens und abens gefüttert, den Stall ausgemistet, hat den Gartenmöbeln einen neuen Anstrich verpaßt, Schuppen und Scheune aufgeräumt, einen VW Beetle weihnachtlich dekoriert, die Filter von den Jacuzzis gereinigt, Holz gespalten und sich nebenbei noch rührend um mich gekümmert. Immer in der Sorge, ich könnte wieder zusammenklappen. 

Meine Tage sind sehr übersichtlich.

Übungen - 3 mal am Tag. Und viel laufen. Also nicht "laufen", sondern "gehen".

Ich soll mindestens 8 mal am Tag vor die Tür. Hat meine Naprapat gesagt. Hildegunn.

Fußball habe ich auch geschaut. Auf dem Handy (!) Ist irgendwie mühsam, macht keinen Spaß und wird auf Dauer auch langweilig.

Also übe ich mich in Geduld und Akzeptanz, höre in meinen Körper und bemühe mich, dem Thema Dankbarkeit eine größere Bedeutung zu geben.

Jetzt bleiben wir also noch ein Woche hier. Das ist entschieden.

Huser ist ein echt schöner Ort. Nicht spektakulär wie Rondane, aber schön. Schön ruhig. Und friedlich.

Die Lage, zwischen Fluß und Feldern, die sanften Hügel, das hat schon was. Vor allem in der Dämmerung, die inzwischen so gegen halb drei beginnt. Ja, es wird früh dunkel. Ist aber gar nicht so schlimm. 

Der Weihnachtsmarkt ist vorbei. Fausto und Albano sind weiter nach Norden gezogen und Lise ist in die Reha nach Süden gegangen. Wir durften in ihr Appartement ziehen. Ins Ergeschoß - krückengerecht. 

Jeremy und Erle fahren morgen für eine Woche nach Belgien, dann sind wir ganz allein hier auf dem Hof.

Von der Alpacabande, den Ponys, Schweinen und Hühnern mal abgesehen. Kater Alfred ist auch noch da. Aber niemand sonst.

Ein unglaubliches Vertrauen, oder? 

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Kommentare: 2
  • #1

    Gute Besserung (Mittwoch, 07 Dezember 2022 16:09)

    Oh Mensch, ich drücke dir ganz feste die Daumen, dass die Schmerzen bald nachlassen und du dich sher bald wieder einigermaßen "normal" bewegen kannst! Viele Grüße, trotz allem eine schöne Vorweihnachtszeit auf "eurem" Hof und gute Besserung
    Martin

  • #2

    Regina Ortlieb (Donnerstag, 08 Dezember 2022 15:12)

    Ohaaaa, das sind ja Nachrichten aus dem Norden. Wir wünschen superschnelle, gute Besserung!

    Hier in Freiburg freut man sich über Ihre Karten und Drucke, wir haben sie hübsch dekoriert und denken häufig an Sie :) Gute Nerven für Ihre Frau und: Durchhalten! Liebe Grüße aus der Heimat,

    Regina Ortlieb