Er steht ganz unten, eingehüllt in Cellophan, zieht aber sofort den Blick auf sich.
Er sticht heraus neben seinen blassgelben Kameraden in Vakuum oder Glas. Ein echter karamellfarbiger Sonderling.
Es gibt ihn in verschiedenen Ausgaben:
groß und klein - heller oder dunkler - als schlichten Kegel oder kunstvoll gestaltet. Dann trägt er eine Art Kappe und ein schönes Relief ziert seine Flanken. Hier in der Gemeinde Sollia: eine Ziege und die Dorfkirche, ….
Barbara bückt sich, holt ihn aus der Vitrine, löst ihn achtsam aus seiner transparenten Verpackung.
Sie betrachtet seine Farbe, tastet seine Konsistenz, schnuppert.
Ihr Produkt!
Sie setzt den Käsehobel an, zieht ihn vorsichtig über seine Oberfläche, eine hauchdünne Scheibe löst sich,
rollt sich dabei sanft nach oben - einer Locke gleich.
So soll es sein! Ein Qualitätsmerkmal!
„This is a very good one. You must taste!“
Es heißt, man würde ihn entweder lieben oder hassen.
Mal schauen, besser: mal schmecken!
Die Scheibe liegt sanft auf der Zunge, schmiegt sich an den Gaumen, fühlt sich glatt und fein an, zergeht sogleich.
Es „bitzelt“ etwas, ohne dass jedoch das winzigste Körnchen die Haptik stört. Ein Qualitätsmerkmal!
Und?
Er schmeckt süß, er schmeckt salzig, er schmeckt würzig.
Ein bisschen wie Lakritz oder doch eher wie ein Salzkaramell?
Er schmeckt auf alle Fälle unbekannt, irgendwie fremd.
Mir schmeckt er gut!
Brunost ist ein Kulturgut, ein Stück norwegischer Identität. Ein Erbe uralter bäuerlicher Tradition.
Ein Käse, der eigentlich kein Käse ist, hergestellt nämlich aus einem Abfallprodukt der Käseproduktion, der Molke.
Früher, als Norwegen noch ein armes Land war, nutzte man jede Ressource, so auch die Ziegen- oder Käsemolke. Man kochte sie mit Rahm auf, bis der Milchzucker karamellisierte.
Daher seine Besonderheit: die braune Farbe und der einzigartige Geschmack.
Die Norweger essen ihn jeden Tag - etwa auf einer Scheibe Brot oder zwischendurch als „Snack“, gerne auch als „Betthupferl“.
Bei langen Wanderungen gilt er als wichtiger Energielieferant.
Brunost ist eine wichtige Einnahmequelle vieler kleinerer Gemeinden und Bauern, wie auch hier in Sollia. Es gibt ihn in verschiedenen Geschmacksrichtungen je nach Art der verwendeten Milch, je nach Futter der Tiere, je nach Länge der Kochzeit, je nach Rezept - je nach Tradition.
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Jannik (Mittwoch, 09 November 2022 23:12)
Ich war auch dort und durfte auch probieren - eigen, aber intensiv. Sollia und die Gegend ist abgelegen - und ich finde sie wunderbar. Miss you, Barbara!!!