Moschus

Erster Sichtkontakt, genau hinschauen

Treffen sich zwei Fotografen im Dovrefjell.

Sagt der eine

„Und?“

Sagt der andere

„Naja. Geht so. Und selbst?“

„Ich hab so’n alten zotteligen Ochsen“

„Ach den. Den hatte ich gestern auch“

Kommt ein dritter Fotograf dazu, ein 600 mm Objektiv hängt schwer über seine Schulter

Blende 4, über 5 Kilo Gewicht. Sieht ein bisschen aus wie ’ne Panzerfaust.

Er wirkt abgekämpft. Kein Wunder bei dem Gewicht. Er strahlt über beide Ohren.

"Habt Ihr die Mutter mit dem Kalb gesehen? Ich habe sie im Gegenlicht. Beide."

"Ein Baby, wo…?"

 

Das sollte jetzt kein Witz werden.

Denn fast genau so haben wir das erlebt, neulich im Dovrefjell.

Nationalpark. Moschusrevier. Nur hier. 

Ihr wißt schon, das sind diese riesigen zotteligen Fleischberge. Die so aussehen, als könnten sie vor Kraft kaum laufen.

Aber Achtung. Die Viecher sind gefährlich. Und wenn sie erstmal auf Touren kommen, dann sind sie auch schnell.

Deswegen lautet der dringliche Appell - nicht näher als 200 Meter.

Aber zurück zur Geschichte.

Wir wandern auf dem Moschuspfad. Angeblich sieht man sie dort besonders oft. 

Das Wetter ist wunderbar. Die Kulisse großartig. Aber wir sind nicht allein.

Überall schleppen Menschen schwere Rucksäcke durch die  Landschaft, tragen Kameras mir großen Objektiven.

Manche sind mit Guide unterwegs, andere versuchen ihr Glück auf eigene Faust.

Die einen gehen an der Weggabelung nach links, die anderen nach rechts. 

Sie alle wollen dasselbe, hoffen auf das EINE beste Foto. 

 

Doch zuerst muß man die Tiere  finden.

Und das ist gar nicht so einfach. Denn so ein Moschusochse sieht aus der Ferne aus wie ein Felsen oder ein Busch.

Etwa 300 Tiere gibt im Dovrefjell. Auf rund 1600 Quadratkilometern. 

Und ich will jetzt nicht angeben, aber wir nehmen schon sehr bald eine Bewegung am Fuß des Berges zu unserer Linken wahr.

Beim Blick durch das Fernglas sehen wir eine kleine Herde Moschus. 3 oder 4 Tiere. Vielleicht ist das eine auch ein Stein. Etwa 800 Meter entfernt…

In diesem Augenblick spüren wir, warum so viele Fotografen hier sind. 

Und warum manche immer wieder kommen. 

Es ist nicht primär das eine Foto, das sie antreibt. 

Es ist vor allem die Suche danach. Das Aufspüren der Tiere.

Die Mühe, das Schleppen, stundenlang, wachsam, immer in Erwartung.

Und dann dieser besondere Moment des Entdeckens, der immer einhergeht mit einem deutlich spürbaren Kribbeln im Bauch und erhöhtem Puls.

Ein wunderbares Gefühl.       

 

Die Gruppe Fotografen vor uns haben die Moschusherde auch entdeckt. 

Sie verlassen den Wanderweg, wollen dichter ran. Und dann das Foto machen. 

Wir gehen weiter, verheddern uns im Weidengestrüpp, scheitern bei dem Versuch, einen Fluß zu überqueren.

Und müssen deshalb kurz an den Film „Into the Wild“ denken. Vor allem aber  genießen wir die großartige Landschaft. 

Als wir uns 2 Stunden später auf den Rückweg machen, sind die Moschusochsen immer noch da.

Die Fotografen auch... 

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